Festabend zu 100 Jahre Frauenwahlrecht der SPD-Landtagsfraktion mit Ausstellung und geschichtlichem Rückblick
Landau. Die Geschichte des Freistaates Bayern ist mit den Sozialdemokraten eng verknüpft. Das hob MdL Ruth Müller, Betreuungsabgeordnete für den Stimmkreis Dingolfing-Landau, am Montagabend hervor: Im Glassaal des Kastenhofs hatte die SPD-Landtagsfraktion zur Feierstunde „100 Jahre Frauenwahlrecht“ eingeladen.
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, heißt es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Seit fast 100 Jahren dürfen Frauen in politische Ämter gewählt werden – ein Umstand, der für Ruth Müller als frauenpolitische Sprecherin der BayernSPD sehr wichtig ist. „Kurt Eisner rief am 8. November 1918 nicht nur den Freistaat Bayern aus, sondern auch das Frauenwahlrecht. Tapfere Vorreiterinnen hatten für die Rechte von Frauen gegen viele Widerstände gekämpft“, berichtete sie.
Zum ersten Mal in Deutschland durften Frauen bei der Bayerischen Landtagswahl am 12. Januar 1919 an die Wahlurnen. Doch quer durch alle Fraktionen seien Frauen in der Politik nach wie vor in der Minderheit. Die Frauenquote im Deutschen Bundestag liege bei 36,5 Prozent. In den niederbayerischen Kreistagen sind die Frauen nur mit 20,9 Prozent vertreten in Dingolfing-Landau sogar nur mit 17 Prozent. Bayern hat auch nur fünf Landrätinnen, im Gegenzug 66 Landräte.
Die Frauenbewegung hat über 100 Jahre eine Menge mit sich gebracht. Einige Meilensteine zählte Ruth Müller auf. 1953 wurde der „Gehorsamsparagraph“ abgeschafft, 1958 wurde das Recht des Ehemannes abgeschafft, das Arbeitsverhältnis der Frau zu kündigen, seit 1977 darf die Ehefrau ohne Einverständnis des Gatten erwerbstätig sein.
Bis zum heutigen Tage sei in Sachen Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Frauen und Männern viel geschehen. „Doch angesichts der anhaltenden Ungleichbezahlung im Job sowie der schwierigen Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehen wir, dass wir noch nicht am Ziel sind“, sagte die Abgeordnete.
„Wenn mehr Frauen in der Politik mitentscheiden, wird sich auch die Sichtweise auf politische Themenfelder ändern“, sagte Ruth Müller: Öffnungszeiten von Kindertagesstätten, Ferienbetreuung in den Kommunen, die ÖPNV-Verbindungen und die Angebote der Nahversorgung, Pflege und medizinische Versorgung seien Themen, die Frauen einfach anders sähen.
74 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit, bei den Männer liegt der Anteil bei lediglich 26 Prozent. 64 Prozent der Frauen seien auf Minijobbasis beschäftigt. Am Ende eines Erwerbslebens stellen viele Frauen fest, zwar immer gearbeitet zu haben, aber dass die Rente zum Leben nicht reicht. Im Landkreis Dingolfing-Landau bekommt eine Rentnerin durchschnittlich 554,31 Euro, ein Mann 1 111,06 Euro. Am 18. März ist der „Equal-Pay-Day“, der Tag bis zu dem Frauen umsonst gearbeitet haben bis sie die Lohnlücke zu den Männern erreichen. Die Lohnlücke beträgt in Deutschland 23 Prozent, in Bayern 26 Prozent und in Dingolfing-Landau sogar 38,4 Prozent.
In Landau ist erstmals auch eine Ausstellung zur Geschichte „100 Jahre Freistaat Bayern“ zu sehen. Damit wird an den 7. November 1918 erinnert, als der Sozialdemokrat Kurt Eisner in München den Freistaat ausgerufen habe. Noch vor der ersten Wahl gelang es Kurt Eisner, den lange geforderten Acht-Stunden-Tag einzuführen. Am 14. November 1918 wurde in Bayern ein „Staatsministerium für Soziale Fürsorge“ eingerichtet und der gelernte Schlosser Hans Uterleitner wurde der erste bayerische Sozialminister. Am 29. April 1933 war der letzte Sitzungstag im Bayerischen Landtag für 13 Jahre. Länderparlamente wurden abgeschafft und Länder aufgelöst.
Diese Geschichte und noch viel mehr zur SPD präsentiert die Ausstellung. „Wenn man anhand dieses Rückblicks betrachtet, wie lange es manchmal gedauert hat, bis die Ideen von uns Sozialdemokraten umgesetzt wurden, können wir uns ein modernes Bayern in den nächsten 100 Jahren nur wünschen“, sagte Ruth Müller. Die Mehrheitsverhältnisse müssten sich ändern, „damit die Uhren in Bayern nicht anders gehen, sondern auf der Höhe der Zeit mit Gleichberechtigung im Arbeitsleben, Alter, Politik und Privatem“.
MdL Bernhard Roos aus Passau eröffnete den Festabend. Der SPD Kreisvorsitzende Bernd Vilsmeier zählte auf, was die Menschen heute als selbstverständlich empfänden: Wahlen, Verwaltung, Schulen, Straßenbau, die Versorgung mit Wasser und Strom. Das seien Errungenschaften der freiheitlichen Demokratie, die nie wieder eine Richtung wie 1933 einschlagen dürfe. Landtagsdirektkandidat Florian Huber sprach über die jahrzehntelange Abfolge von politischen Erfolgen der Frauen und verband dies mit Gestaltungsanspruch und Chancengleichheit am Arbeitsmarkt.
Deftig, frech und lebenspraktisch unterhielt die Kabarettistin und Akkordeonistin Michaela Dietl die Gäste.
Text: Andrea Luderer-Ostner, Landauer Neue Presse