Die SPD-Landtagsfraktion erinnerte bei einem Info-Abend an 100 Jahre Frauenwahlrecht – „Es
gibt noch viel zu tun“

Vilshofen. Angela Merkel trägt bevorzugt Hosen. In den 70er Jahren war das den weiblichen Abgeordneten im Deutschen Bundestag noch untersagt. Ruth Müller hat noch mehr solcher Kuriositäten rund um die Gleichberechtigung auf Lager. Bis 1958 brauchte eine Frau vom Ehemann die Erlaubnis, den Führerschein machen zu dürfen. Drittes Beispiel: Im Landkreis Dingolfing-Landau verdienen die Männer im Schnitt 38,4 Prozent mehr als Frauen. Über die ersten beiden Argumente ließ sich noch schmunzeln, den dritten Punkt empfanden nicht wenige als Skandal.

Ruth Müller (51) ist frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag. Sie kommt aus dem Landkreis Landshut und kam auf Einladung von MdL Bernhard Roos am Montagabend nach Vilshofen, um über Gleichberechtigung und „100 Jahre Frauenwahlrecht“ zu reden. Das passt ganz gut zum Internationalen Frauentag, der morgen begangen wird.

So stolz die SPD darauf ist, sich stets dafür eingesetzt zu haben, Frauen mehr Rechte zu geben, so ernüchternd war die Feststellung, dass es auch nach 100 Jahren nicht immer gut gestellt ist mit der Gleichberechtigung. So sehr sich manche Partei darum bemüht, die Posten in den Parlamenten fifty-fifty zu besetzen – im Bundestag sind nur 31 Prozent der Abgeordneten weiblich, im Bayerischen Landtag sind es 28 Prozent, im Passauer Kreistag 21 Prozent. Von 71 Landräten in Bayern sind nur fünf Frauen. Ruth Müller machte klar: „Wenn sich in der Politik schneller etwas ändern soll, brauchen wir aber mehr Frauen, die bereit sind, sich politisch zu engagieren.“

Zwei, die sich einbringen wollen, stellten sich den 45 Besuchern in der vollen Gaststube beim „Griechen“ am Vilshofener Stadtplatz vor: Katja Reitmeier (34) ist Passauer Stadträtin und kandidiert im Herbst für den Bezirkstag. Sabine Mayerhofer (47) macht dem CSU-Kandidaten Walter Taubeneder das Direktmandat streitig. Mayerhofer lebt in Neuhaus am Inn und ist Konrektorin an der Realschule Bad Griesbach. Beide Kandidatinnen machten klar: Bei aller gesetzlicher Gleichberechtigung – das Problem seien Vorurteile und zunehmendes konservatives Denken. „Wir müssen nicht die Mädchen überzeugen, dass sie sich etwas zutrauen können, sondern die Mütter.“

Als Ruth Müller in ihrem einstündigen Vortrag wieder und wieder aufzeigte, wie Frauen in der Gesellschaft immer noch benachteiligt werden, widersprach niemand an den eng besetzten Tischen. Auch nicht die Männer, die gut vertreten waren. Lediglich Vilshofens Bürgermeister Florian Gams wagte anzumerken, dass auch Männer um die Gleichberechtigung kämpfen müssten. Der Mutter eines Neugeborenen werde automatisch das Sorgerecht zuerkannt, dem nicht verheirateten Vater jedoch nicht. Von allen Seiten wurden ihm Tipps zugerufen, wie sich das ändern lässt.

Benachteiligt sind Frauen laut Ruth Müller bei den Jobs. Nahezu 74 Prozent der Frauen würden Teilzeit arbeiten. 64 Prozent der Frauen seien auf Minijobbasis beschäftigt. Das wirke sich auf die Rente aus. Ein Mann in Bayern erhalte im Schnitt 1120 Euro Rente, eine Frau in Bayern gerade einmal 638 Euro. In Niederbayern sind es durchschnittlich lediglich 553 Euro für eine Rentnerin. Zu einer allgemeinen Diskussion nach dem Vortrag kam es zum Bedauern einiger Besucher nicht mehr. MdL Bernhard Roos hatte es den Gästen angesehen, dass sie auf die versprochene Brotzeit warteten. Zumindest wurden an den Tischen Meinungen ausgetauscht. „Es gibt noch viel zu tun“, war man sich einig.

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