Parlamentarische Anfragen der SPD-Abgeordneten Müller und von Brunn zeigen das Zuständigkeitschaos – Unabhängige Sonderinspektoren gefordert
Trotz der besonders hohen Corona-Ansteckungsgefahr unter Schlachthofmitarbeitern unternimmt die Staatsregierung nichts, um die strukturellen Ursachen zu beseitigen oder die Maßnahmen zu koordinieren. In Antworten auf parlamentarische Anfragen der niederbayerischen SPD-Landtagsabgeordneten Ruth Müller und des Münchner SPD-Verbraucherschützers Florian von Brunn räumt die Staatsregierung zwar ein, dass die „Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften“ das Risiko erhöht. Aber die Ministerien wollen nichts an dieser Situation ändern. In der Stellungnahme des Arbeitsministeriums heißt es wörtlich: „Hinweise auf besondere Auffälligkeiten oder unhaltbare Arbeitsbedingungen in den angefragten Branchen ergaben sich bislang nicht.“
Statt durch andere Unterbringungen der Beschäftigten zusätzliche Infektionen - zu den bereits festgestellten - zu vermeiden, will das Gesundheitsministerium lediglich weitere Tests durchführen. Der SPD-Abgeordneten Müller ist das zu kurzsichtig: „Das kommt mir vor wie ein Baustellenbetreiber, der, statt die Baugrube abzusichern, nur zählt, wie viele Menschen hineingestürzt sind. Das kann doch nicht der Ernst von Gesundheitsministerin Huml sein!?“ Das Ministerium weigert sich, die Bekämpfung der Corona-Hotspots in Schlachthöfen zentral in die Hand zu nehmen.
Dabei listet das Bauministerium in seiner Antwort das derzeitige Verantwortlichkeitschaos auf: „Zuständig für den Vollzug infektionsschutzrechtlicher Vorgaben sind die Kreisverwaltungsbehörden. Für Vorgaben des Bauordnungsrechts sind die Baubehörden zuständig. Der Arbeitsschutz im Bereich der Landwirtschaft wird von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) vollzogen, in den übrigen Branchen regelmäßig von den Gewerbeaufsichtsämtern bei den Regierungen.“
Der SPD-Abgeordnete von Brunn will die Staatsregierung damit nicht durchkommen lassen: „Wenn es um große TV-Auftritte geht, um salbungsvolle Worte, dann ist die Regierung Söder ganz vorn dabei. Aber sobald es um konkrete Maßnahmen geht, wird die Verantwortung abgeschoben. Wofür brauchen wir dann eigentlich eine Gesundheitsministerin? Und das Arbeitsministerium ist so blauäugig, den Schlachthofbetreibern alles in Eigenverantwortung zu überlassenß“ In der Antwort des Ministeriums heißt es wörtlich: „Die Einhaltung der Vorgaben obliegt in erster Linie den jeweiligen Arbeitgebern.“
Als „geradezu zynisch“ bezeichnet von Brunn die Aussage des Ministeriums, wonach sich Mitarbeiter „an die zuständige Kreisverwaltungsbehörde wenden“ könnten, falls sie mangelnde Hygienevorkehrungen beobachten. „Hierbei handelt es sich um Menschen aus dem europäischen Ausland, die oft kaum Deutsch sprechen und in der Regel kein Jura studiert haben. Und die sollen dann die Einhaltung unserer Vorschriften kontrollieren und ihre Arbeitgeber bei den Behörden anzeigen? Geht’s noch? Ich erwarte, dass die Ministerien sich um den Schutz von uns Verbrauchern kümmern.“
Verbesserungsvorschläge der SPD-Abgeordneten
Müller und von Brunn verlangen ganz konkrete und schnell umsetzbare Maßnahmen, um den Infektionsschutz zu verbessern:
- Das Gesundheitsministerium muss endlich die Gesamtverantwortung für den Infektionsschutz übernehmen. Das Abschieben von Zuständigkeiten an eine Vielzahl untergeordneter Behörden muss aufhören.
- Das ausbeuterische und unsichere System der Werkverträge in Schlachthöfen und in landwirtschaftlichen Betrieben muss beendet werden. Die Mitarbeiter brauchen normale Arbeitsverträge, um die Unternehmen besser in Haftung nehmen zu können.
- Für die Schlachthöfe muss es unabhängige, staatliche Inspektoren mit umfangreichen Zutrittsrechten geben, die sich darum kümmern, dass die Hygienestandards am Arbeitsplatz und in den
Gemeinschaftsunterkünften eingehalten werden.